Kindergärten und Krippen

Kindergarten Kinder, Qamişlo Nov/2018

Der Alltag von Frauen und Kindern in Rojava und Syrien war in den letzten Jahren von Krieg, Embargo und Gewalt geprägt. Die Nachwirkungen beeinflussen weiterhin in vielerlei Hinsicht ihren Alltag. Der Schmerz um gefallene Angehörige und zerrissene Familien, die Drohungen der Türkei mit erneuten Angriffen, der Mangel an vielen Dingen des alltäglichen Bedarfs – schaffen zusammen eine ungewisse Zukunft.

Es sind die Mütter – gestärkt von der Frauenbewegung – die das Leben am Laufen halten. Sie kümmern sich um die Kindererziehung, die Lebensmittelversorgung, die Gesundheitspflege und das wirtschaftliche Überleben der Familie. Viele Mütter haben mit der Revolution in Rojava und Nordsyrien zum ersten Mal Zugang zu Bildung und haben erstmalig außerhalb des Hauses gearbeitet. In der Umfrage der Stiftung der freien Frau in Syrien von 2014 formulierten viele Frauen erstmalig u.a. die Forderung nach einer qualifizierten Kinderbetreuung. So kam es zum Beschluss der Stiftung Kindergärten aufzubauen.

Zuvor waren alle Kindergärten von der Bildungspolitik des Assad-Regimes geprägt, Kinderkrippen gab es nicht. Das Regime hat bereits in den als Vorschulen organisierten Kindergärten, mit der Assimilation und Arabisierung der Gesellschaft begonnen. In Schulen und Kindergärten des Regimes sind – bis heute – alle Sprachen außer Arabisch und Englisch verboten. Dies führt zum Verlust der in Syrien vorhandenen Religions- und Ethnienvielfalt. Die hauptsächlich angewandte Unterrichtsmethode zur Wissensaneignung ist das Auswendiglernen.

Entgegen dem bisherigen Vorschulkonzept ist es uns ein Anliegen, die Persönlichkeitsentfaltung der Kinder in unseren Kindergärten und Kinderkrippen in den Vordergrund zu stellen, Eltern und Kindern in ihrer Entwicklung als Familie zu unterstützen, sowie eine Förderung der jeweiligen Muttersprache, insbesondere des Kurdischen, zu gewährleisten. Den Kindern wird ein umfangreiches Programm aus Bewegung, Musik, Malen, Basteln und Sprachförderung angeboten. Zur Unterstützung der Entwicklung der Kinder gibt es regelmäßige Gesprächsrunden und Einzelgespräche, in denen sie ihr Befinden, ihre Kritiken und ihre Vorschläge einbringen können. Eine besonders sensible Betreuung findet bei den Kindern statt, die unter Kriegsfolgen, dem Verlust von Angehörigen, Armut oder Folgen der Flucht leiden.

Sackhüpfen der Kinder, Kobane 11/2018
Sackhüpfen der Kinder, Kobane 11/2018

Mit den Eltern wird regelmäßig über Themen wie die Entwicklungsphasen von Kindern, eine kindgerechte Förderung, Aufmerksamkeit und Raum für altersgerechte Entfaltung, etc. besprochen. Aber auch die Auseinandersetzung mit dem Geschlechterverhältnis in der Familie und in der Gesellschaft, die Auswirkung von Krieg, Gewalt und Embargo sowie die Folgen von feudal-patriarchaler Mentalität auf die Entwicklung der Kinder werden thematisiert.

Dabei ist die Haltung der Betreuerinnen wesentlich für die Entwicklung der Kinder in den Kindergärten und Kinderkrippen. Je positiver die Betreuerinnen die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Kinder wahrnehmen, um so größer ist der Spielraum für Wachstum und Ausbildung einer eigenen Persönlichkeit. Alle Kinder haben ein Bedürfnis nach Lernen und Weiterentwickelung. Das Entdecken eigener Fähigkeiten und Begabungen, das Aneignen von Wissen und Selbstorganisierung, das Entwickeln eigener Gedanken und Ideen sind für Kinder ebenso wichtig wie für Eltern. Die Betreuerinnen aller Kindergärten und Krippen haben monatliche Treffen mit Reflektion und Bildung zu verschiedenen Themen. Zudem finden mehrmals jährlich auch mehrtägige Weiterbildungen statt, z.B. zum Thema Phasen kindliche Entwicklung, (Trauma-) Pädagogik, Sprachförderung usw.

Derzeit unterhält die Stiftung sieben Kindergärten in Qamişlo, zwei in Girkê Legê, einen Derîk und einen in Kobane. Weitere sind geplant u.a. in den Städten Rakka und Tepka. Den Aufbau unserer interkulturellen Kindergärten sehen wir auch als einen Beitrag für ein künftiges friedliches Miteinander.

Die Betreuerinnen unserer Kindergärten und Krippen sind Teil des Verbandes für Bildung und ihre Gehälter werden seit 2017 von dem Frauenministerium bezahlt. Zur Ausarbeitung eines geschlechtergerechten Erziehungskonzeptes wurden wir 2015/16 von Feminist Trust unterstützt.