Bildungsangebote im Nebengebäude des Waisenhauses in Kobanê
Im Herbst 2023 gibt es dort acht Mitarbeiterinnen (darunter eine Leitung, eine ist zuständig für Archiv und Presse)
Angebotene Bildungen: Gesundheit (Erste Hilfe) / Computer / Schneiderei / Friseur / Alphabetisierung / Handarbeiten
- Im Computerkurs werden 45 Einheiten à 1,5 – 1 Std. Angeboten. Es besteht eine hohe Nachfrage. Eine Teilnehmerin, 22 Jahre, hat über eine Freundin von den Bildungsangeboten der Frauenstiftung erfahren. Nach ihrem Abschluss will sie in der Selbstverwaltung arbeiten.
- Die Schneiderei verfügt über drei Nähmaschinen, die Lehrerin arbeitet seit 4 Jahren bei der Frauenstiftung. Die Ausbildungen werden seit 2015 durchgeführt. Sie dauert drei Monate. Ihr gefällt die Arbeit sehr gut. Es gibt viele Anfragen, die meisten Frauen haben keinerlei Vorerfahrung. Sie entwickeln sich und lernen, am Kursende können sie Kleider etc. nähen. Wegen der hohen Nachfrage werden zwei Ausbildungen parallel angeboten, eine vormittags, eine nachmittags. Nach dem Abschluss arbeiten manche Frauen von zu Hause aus weiter, andere gehen in Werkstätten/Nähereien.
Die Mitarbeiterinnen haben Wünsche für Zukunft: Sie möchten sich ausweiten, um mehr anbieten zu können. - Die Lehrerin der Friseurausbildung ist 28 Jahre alt. Sie ist seit einem Jahr dabei und bietet gerade den fünften Lehrgang an. Sie hatte bereits eine Ausbildung als Friseurin und kam über facebook zur Stiftung. Die Arbeit war anfangs herausfordernd für sie, jetzt läuft es gut. Der aktuelle Kurs wurde ebenfalls wegen großer Nachfrage auf vormittags und nachmittags geteilt. Die Bildung umfaßt zwei Stunden/Tag an sechs Tagen in der Woche. Sie dauert drei Monate, Themen sind: Haare schneiden (dafür kommen Leute von außen), Frisuren (die Teilnehmerinnen gegenseitig), Make-up (gegenseitig). Der Kurs schließt mit Prüfung und Zertifikat ab. Möglichkeiten zu arbeiten sind ein eigener Laden (meistens Zuhause, da die Miete für Ladenräume teuer ist). Viele Kurseilnehmerinnen kommen aus umliegenden Dörfern und wollen in ihrem Dorf einen Friseurladen eröffnen. Für Frauen ist es i.d.R. schwierig vom Dorf die Stadt zu kommen.
- Ein Alphabetisierungskurs wurde gerade abgeschlossen.
- Die letzte Ausbildung zu Handarbeiten hat vor einem Monat stattgefunden. Für den neuen Kurs wird gewartet, bis genügend Anmeldungen vorliegen. Die Lehrerin hat sich Handarbeiten selbst beigebracht und bevor sie zur Stiftung kam bereits Kurse gegeben.
Es wurden z.B. Auftragsarbeiten für das Behindertenzentrum in Kobanê hergestellt. Eine Ausstellung ist in Vorbereitung.
(Bericht der Delegation September2023)
Ari Klinken
Die Frauenstiftung betreibt an 5 Standorten Einrichtungen zur Basis-Gesundheitsversorgung, die sogenannten Ari-Kliniken. In Tepke, Qamişlo, Hesekê und Dirbêbesyê wird hier eine Basisgesundeitsversorgung für Frauen und Kinder aus finanziell schwachen Familien angeboten, die sonst keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben. Das Angebot umfasst allgemeinmedizinische, pädiatrische und gynäkologische Untersuchung und Behandlung im ambulanten Rahmen. Das Fachpersonal bestehend aus Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen ist in Teilzeit fest angestellt. Für die Behandlung wird ein symbolischer Betrag (umgerechnet 50-75 EURO-Cent) erhoben. Finanziell benachteiligte Menschen und die seit Dezember 2024 neu Geflüchteten werden kostenlos behandelt. Die verordneten Medikamente werden kostenfrei ausgegeben.
In der sich zuspitzenden Situation unter dem Krieg niederer Intensität und seit Jahren bestehendem Embargo, Wasser- und Lebensmittelknappheit steht die Bevölkerung unter enormen Druck. Die psychische und physische Belastung ist hoch und wirkt sich auf die Gesundheit der Menschen, insbesondere der Frauen und Kinder aus. Zudem sind aktuell hunderttausende Menschen innerhalb Syriens auf der Flucht. Für viele Menschen sind die Ari-Kliniken wichtige Anlaufstellen. Sie leisten neben der medizinischen Beratung, Diagnostik und Therapie auch einen Beitrag zur Prävention durch Aufklärung zu medizinischen Themen und unterstützen auch in emotionalen und mentalen Krisensituationen.
Die Kinder- und Frauengesundheitsstation Lorenzo Orsetti in Kobanê
befindet sich im Gebäudekomplex des Waisenhauses. Die Eröffnung der Kinderklinik war am 21.04.2023. Sie wurde durch eine Spende der Familie von Lorenzo Orsetti, einem gefallenen Internationalisten, ermöglicht.
Zu Beginn wurden v.a. Bildungen zu Gesundheitsthemen angeboten.
Es gibt zwei Behandlungsräume, ein Wartezimmer, ein Eingangsraum.
An drei Tagen in der Woche kommt ein Kinderarzt, an drei Tagen in der Woche eine Hebamme, die schwangere Frauen untersucht und versorgt, eine Mitarbeitern ist für administrative und vorbereitende Tätigkeiten zuständig, sie arbeitet dem Arzt und der Hebamme zu, misst den Blutdruck, legt Zugänge, die Patientinnen und die Behandlungen werden in einem Buch vermerkt.
Es gibt ein Ultraschallgerät, für weitergehende Untersuchungen und Behandlungen von schwerren Erkrankungen muss an ein Krankenhaus weiterverwiesen werden.
Sie wollen eine Anlaufstelle für Frauen sein und v.a. für ärmere Frauen und Frauen von weiter weg, aus den Dörfern, ansprechen.
Erste Hilfe Kurse in den Grenzgebieten zur Türkei
Alle Einrichtungen der Frauenstiftung, die in der Nähe der Grenze zur Türkei liegen, bieten Erste-Hilfe-Kurse für die ländliche Bevölkerung in den grenznahen Dörfern an. Die Menschen dort sind seit Jahren einem Krieg niedere Intensität ausgesetzt. Immer wieder kommt es zu Angriffen der Türkei mit Drohnen und Artillerie auch auf die Zivilbevölkerung. So werden beispielsweise Menschen, die auf dem Feld arbeiten, gezielt erschossen. Aufgrund der permanenten Bedrohung durch einen militärischen Einmarsch seitens der Türkei leiden die Menschen unter starkem Stress und Ängsten. Zur Stabilisierung und Selbstermächtigung, werden dort Erste-Hilfe-Kurse angeboten. Durch die Ausbildung in medizinischen Erstmaßnahmen werden die Menschen befähigt bei Anschlägen und Verletzungen selbst tätig zu werden und so die Überlebenschancen von Verletzten bis zum Eintreffen von Rettungskräften bzw. Erreichen einer Versorgungseinrichtung zu erhöhen.
Vorgehen: Drei Mitarbeiterinnen der Frauenstiftung suchen die Dörfer in Grenznähe auf, sprechen mit den Bewohner:innen und motivieren 3-5 Freiwillige zur Teilnahme am Kurs.
Die Kurse werden ortsnah angeboten ab 18 – 25 Teilnehmerinnen (Angebot demnächst auch für Männer) und dauern 1 Woche. Jede Person erhält nach erfolgreich absolviertem Kurs ein Erste-Hilfe-Set mit dem für die Erstversorgung notwendigen Material.
Erste-Hilfe-Kurse und Krankenpflegekurse
In allen WJAS Büros werden Ausbildungskurse in Erster-Hilfe und Krankenpflege angeboten. Sie dauern einen Monat, am Ende erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat.
Zudem bietet die Stiftung eine weiterführende Ausbildung zur Krankenpflegerin an, mit dieser Ausbildung könnn die Absolventinnen in Klinken und Praxen arbeiten.
Gesundheitskurse
In allen WJAS Standorten werden regelmäßig Gesundheitskurse zu verschiedenen Themen angeboten. Beispiele für Kurse: Brustkrebs, Infektionserkrankungen, gynäkologische Erkrankungen, Kinderheilkunde. Diese sind für die alle interessierten Frauen konzipiert und vermitteln grundlegende Kenntnisse in den genannten Bereichen, um so das Verständnis von Erkrankungen aber auch deren Entstehung zu verbessern und einen Beitrag zu Prävention und Selbstermächtigung zu leisten.
Mobile Klinik in Dêrik
Die Mobile Klinik ist ein gemeinsames Projekt der Städtepartnerschaft Friedrichshain-Kreuzberg – Dêrik e.V. und der Stiftung der freien Frau in Syrien. Seit 2020 bietet die Mobile Klinik an 3 Tagen in der Woche eine medizinische Basisversorgung für Frauen und Kinder in verschiedenen Dörfern im Umland der Stadt Dêrik an. In der dörflichen Gegend im Norden Nord- und Ostsyriens (NES) besteht keine flächendeckende Gesundheitsversorgung, besonders Frauen und Kinder haben keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung und müssten oftmals lange Wege zur nächsten Klinik auf sich nehmen. Durch den Einsatz der Mobilen Klinik kann eine kontinuierliche, bevölkerungs- und wohnortnahe medizinische Basisversorgung für Frauen und Kinder angeboten werden. Hauptsächlich werden infektiologische, gynäkologische und pädiatrische Erkrankungen behandelt. Die Mobile Klinik verfügt über ein Ultraschallgerät und gibt kostenfrei Medikamente aus. Zusätzlich finden Gesundheitsseminare und Informationsveranstaltungen für die Bevölkerung statt. Geplant sind zudem Fortbildungsveranstaltungen für medizinisches Personal.
Naturheilkundezentren
An den Standorten Hesekê und Dirbêsiyê betreibt die Frauenstiftung Zentren für Naturheilkunde. Hier werden sowohl naturheilkundliche Therapien angeboten, kosmetische Behandlungen durchgeführt und als auch Kurse in Naturheilkunde für die Bevölkerung angeboten.
Gesundheitskampagnen
Ebenfalls regelmäßig finden Gesundheitskampagnen zu verschiedenen Themen statt. Ein Beispiel ist der „Rosa Monat“ – im gesamten Monat Oktober wird an verschiedenen Orten eine Kampagne zum Thema Brustkrebs (Aufklärung, Prävention, Therapien) durchgeführt. Andere Kampagnen werden angepasst die jeweilig aktuellen Krankheitswellen, beispielsweise Influenza- oder Corona insbesondere in den Wintermonaten, Magen-Darm-Erkrankungen im Sommer, Hygiene und Wasser bei Wasserverschmutzung (Cholera) und -knappheit. So soll präventiv über o.g. Erkrankungen aufgeklärt werden, um die Bevölkerung prophylaktisch zu schützen und Ansteckungen zu verhindern sowie im Krankheitsfall Basismaßnahmen bekannt zu machen.
Waisenhaus Kobanê
Einen Arbeitsbereich der Frauenstiftung stellen pädagogische Angebote dar.
So baute die Frauenstiftung mehrere Kindergärten auf (die mittlerweile von den Kommunen übernommen wurden) und in Kobanê ein Waisenhaus. Das sehr große Gebäude wurde 2016/2017 mit finanzieller Hilfe aus Europa als Teil des Wiederaufbaus der nahezu zerstörten (80%) Stadt, gebaut und 2018 in Betrieb genommen wurde. Es war ursprünglich konzipiert für Waisenkinder, die ihre Eltern in dem brutalen Krieg gegen den Islamischen Staat (IS) verloren haben.
In Zusammenarbeit mit der WELLE, Hanau, wurden in mehreren Modulen vor Ort die Mitarbeiterinnen des Waisenhauses in Traumatherapie geschult.
Mit dem Aufwachsen von Kindern in einem nicht-familiären Kontext, hat die Frauenstiftung Neuland betreten. In früheren Jahren kamen verwaiste oder aus anderen Gründen nicht bei den Eltern lebende Kinder zu Verwandten oder in wohlhabende Familie wo sie häufig billige Arbeitskräfte darstellten. Die Mädchen wurden oft sehr früh verheiratet.

Im Gebäudekomplex befindet sich neben dem Waisenhaus, in einem Seitengebäude, eine kleine Gesundheitsstation, Büro- und Unterrichtsräume der Stiftung, eine Bibliothek.
Im Seitengbäude sind auch die Räume für die größere Mädchen des Waisenhauses sowie für die Mitarbeiterinnen (Küche, Wohnzimmer, Schlafraum).
Im Waisenhaus leben zur Zeit 23 Kinder, davon sind acht kleine Kinder, das kleinste ist 1 1/2 Jahre alt. Es arbeiten 13 Mitarbeiterinnen dort (die Leitung, zwei Lehrerinnen, Mitarbeiterinnen für die Tag- und Nachtschichten, zwei Frauen schlafen im Haus.
Sie versorgen die Kinder und Kochen für sie, eine Lehrerin für 1-7jährige, die Kurdisch, Arabisch und Bildgestaltung unterrichtet. Eine Erzieherin für kleine Kinder, die seit 1,5 Jahren dort arbeitet, mit den Schwerpunkten Spielen, Buchstaben lernen etc.

Der Tagesablauf gestaltet sich so, dass drei Frauen von 8 – 19 Uhr die Kinder versorgen, kochen, für die Reinigung zuständig sind, zwei Frauen haben von 19 – 8 Uhr die Verantwortung für die Kinder über Nacht. Bei jedem Schichtwechsel findet eine Besprechung statt, was während der Schicht war, was ansteht…
Es gibt feste Zeiten für Unterricht, Frühstück, Mittag- und Abendessen. Der Unterricht während der Ferien findet von 9.00 Uhr – 14.30 Uhr statt. Die örtlich zuständige Schule wird gerade aufgebaut. Sobald sie fertig ist, gehen die Kinder dorthin. Bis dahin werden sie im Waisenhaus unterrichtet. Wenn sie in die örtliche Schule gehen erhalten sie im Waisenhaus abends nochmal Unterricht in Form von Hausaufgaben, Nachhilfe etc., wenn kein Bedarf besteht, gibt es freie Gestaltung der Zeit durch die Kinder.
Nachmittags gibt es freie Zeit, mit Gestaltung nach Wunsch, um den Kindern Freiraum zu geben. Zwischen 20.00 und 21.00 Uhr gibt es eine feste gemeinsame Stunde. Da werden z.B. Geschichten gelesen/erzählt, Filme angeschaut etc. Die älteren Mädchen (sieben) haben ihre Schlafräume im Seitengebäude. Die Jungen haben gemeinsam ein großes Zimmer, die kleinen Mädchen sind zusammen untergebracht.
Jede Woche finden drei Tekmils statt (das ist eine eingeführte Form der Kritik/Selbstkritik, die hilfreich ist, um Konflikte gemeinsam zu lösen und Bedürfnisse einzubringen):
- ein Tekmil der Kinder miteinander (wird von der Leitung moderiert),
- ein Tekmil der Mitarbeiterinnen miteinander (Reflexion und Austausch),
- ein Tekmil von Kindern und Mitarbeiterinnen zusammen. Themen sind ua: Leben im Waisenhaus, Verhältnis der Kinder untereinander, Beziehung der Kinder zu den Lehrerinnen/Erzieherinnen/Mitarbeiterinnen, Verbesserungsbedarf und dessen Umsetzung. Die Kinder haben eigene Treffen, damit sie auch Kritik an den Mitarbeiterinnen einbringen können (so gab es eine Mitarbeiterin, die Kinder geschlagen hat, das haben sie im Tekmil berichtet).
Wie kommen die Kinder ins Waisenhaus?
Desta Jin (das Frauenkomitee der Selbstverwaltung) ist zuständig für die Vermittlung von Kindern. Es wird zunächst versucht die Kinder in Familien zu vermitteln – bei kleinen Kindern ist das einfacher, bei größeren zunehmend schwierig. Die Kinder sind oft traumatisiert, haben zB im Krieg oder bei Angriffen Schlimmes erlebt. Bisher konnten sieben Kinder vermittelt werden. Die Mitarbeiterinnen des Waisenhauses gehen regelmäßig in diese Familien, um sie zu unterstützen, um zu sehen, ob es den Kindern dort gut geht und zB bei Konflikten zwischen Familien und Kindern zu vermitteln.

Es gibt viele Herausforderungen in der Arbeit mit den Kindern:
Sie sind sich der besonderen Situation bewusst und fragen sich teilweise, warum die Eltern sie abgegeben haben. Die Mitarbeiterinnen sind nicht die eigenen Eltern, das ist für die Kinder neu und manchmal schwierig in der Beziehungsgestaltung.
Viele Mitarbeiterinnen haben eigene Kinder, im Rahmen der Arbeit im Waisenhaus geht es aber darum eine professionelle pädagogische zu Arbeit leisten.
Auch die Frage, was mit größeren Kindern wird, ist schwierig. Vor allem für ältere Jungen ist es schwierig, eine Perspektive zu finden, da es für sie (noch) keine Strukturen gibt, die sie aufnehmen. Mädchen können in die Frauenstrukturen vermittelt werden. Derzeit wird an einem Ort für ältere Jungen konzeptionell gearbeitet.
Welche Wünsche gibt es für die Kinder?
• umfassende Lern- und Unterrichtsmöglichkeiten
• eine Perspektive, so dass sie auch die Möglichkeit haben zB zu studieren
(Bericht der Delegation September 2023)